Vater starb an COPD

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Gertrud
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Vater starb an COPD

Beitrag von Gertrud »

Hallo,

mein Vater ist am 19.01.2015 infolge der COPD gestorben. Wir haben uns lange auf diesen Tag X vorbereitet, als es soweit war, war es doch ein Schock.
Mein Vater wurde 72 Jahre alt. Wir (meine Mutter und ich) haben versucht, die Pflege mit Hilfe eines Pflegedienstes zu Hause zu leisten. Was auch bis Mitte November 2015
funktioniert hat. Meine Mutter ist herzkrank und hatte im Juli 2014 eine Herz-OP. Von Dezember 2013 bis Dezember 2014 musste sie achtmal in die Klinik. In dieser Zeit habe ich die Pflege übernommen. Bis November 2015 war die Pflege auch bewältigen, obwohl ich voll berufstätig bin. Ich habe meinen Urlaub genommen und Minusstunden gemacht. Auch unbezahlter Urlaub wäre möglich gewesen.
Mein Arbeitgeber (öffentlicher Dienst) war da sehr kulant. Wenn meine Mutter wieder mal durch den Notarzt in die Klinik musste, konnte ich alles stehen und liegen lassen und mich um meinen Vater kümmern. Ab Mitte November 2015 bekam mein Vater zwei schwere Schübe. Ab diesem Zeitpunkt war er zum Liegen gekommen, es ging gar nichts mehr. Er war dann Anfang Dezember 2015 für 14 Tage zu Hause. Meine Mutter kam dann nicht mehr zum Schlafen. Am 10.12.2014 musste mein Vater wieder ins Krankenhaus, ganz schlimm. Dort wurde uns nahegelegt, ihn erstmal in eine Kurzzeitpflege zu geben. Ich konnte ja nicht meine Arbeit aufgeben und der Arzt sagte zu meiner Mutter, wenn sie die Pflege weitermacht, wird sie vor meinen Vater am Herztod sterben. Also haben wir uns schweren Herzens dazu entschlossen. Es kommt auch noch hinzu, das wir in ständiger Sorge um meine Schwester sind, die z.Z. Chemo bekommt. Sie wohnt 250 km von uns weg, ihr Ehemann kümmert sich rührend.
Soweit so gut.

Im Heim haben wir unseren Vater jeden Tag besucht, er war sehr böse auf meine Mutter, hat sie ständig beschimpft, das er in der Pflege ist und nach Hause möchte. Er sah nicht ein, das auch sie schwer krank ist. Mit mir hat er es nicht gemacht, ich konnte auch mit ihm vernünftig reden, wenn wir allein waren. Da hat er es auch eingesehen. Sobald meine Mutter auftauchte, hat er ihr ein schlechtes Gewissen gemacht. Nach den 6 Wochen (diese wären Anfang Februar vorbei gewesen) wollte ich ihn mit zu mir nehmen und unbezahlten Urlaub nehmen.

Vorwürfe gab es auch uns gegenüber von der Verwandtschaft meines Vaters. Seine Mutter (sie ist 93 Jahre) lebt noch und ist geistig hellwach und fit. Seit 2005 war mein Vater krank, gekümmert hat sich in der Zeit keiner, wir waren immer da.

Alle Besserwisser haben es geschafft, dass ich mich als Rabentochter fühle und das Gefühl habe, meinen Vater abgeschoben zu haben, ja, nicht genug getan zu haben.
Die Trauerfeier war ein Spießrutenlauf, ich hatte das Gefühl, jeder gafft mich an und denkt sich seinen Teil.
Ich fühle mich so beschissen, denke jeden Tag an Papa und das ich ihn allein gelassen habe. Ich bin unendlich traurig. Ich kann nichts mehr rückgängig machen, aber ich weiß auch nicht, ob ich anders machen würde. Ich bin ja auch nicht unendlich belastbar.

Ich wäre dankbar für ehrliche Meinungen.

Liebe Grüße, Gertud

Michael
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Re: Vater starb an COPD

Beitrag von Michael »

Hallo,
es ist zwar eine ganze Weile her das du diesen Beitrag erstellt hast, dennoch möchte ich dir mit ein paarkurzen Wörtern sagen das du dir keine Vorwürfe machen darfst. Keiner der auch nur anähernd einen an COPD leidenden gepflegt hat, kann auch nur im Ansatz erahnen was einen da erwartet, wie Nervenaufreibend das ist.

Ich möchte dir kurz meine Geschichte erzählen, um ehrlich zu sein nicht ganz uneigennützig. Mein Vater ist vor 5 Tagen an den Begleiterkrankungen der COPD gestorben. Ich möchte mir so ein wenig den Schmerz von der Seele schreiben. Der Leidensweg ist oft ein sehr langer. So fängt auch die Geschichte meines Vaters sehr früh an. Mit mitte 50 fingen die ersten Beschwerden meines Vaters an. Er konnte nicht mehr laufen, da er Schmerzen in der Hüfte hat. Er ging zum Arzt und ihm wurde Athrose diagnostiziert. Das hat er nun so hingenommen. Nach ein paar Jahren, stellte sich heraus das die Schmerzen tatsächlich von Durchblutungsstörungen kamen. Die wurden immer Schlimmer. Er wurde oft operiert, angefangen wurde damit ihm die Adern mit einer Art Balon zu reinigen/durchzupusten, es wurden ihm Bypässe gelegt und als alles nichts mehr half wurde ihm im Jahr 2009 das Bein amputiert. Zu diesem Zeitpunkt bin ich 150km weit weg von meinen Eltern gezogen, beruflich bedingt. Ich war so oft ich konnte bei Ihnen. Er bekam ein haufen Medikamente die unter anderem sein Blut vedünnen sollten. Zu diesem Zeitpunkt glaubten wir noch er würde irgendwann an verstopften Adern sterben, noch nie hatten wir was von COPD gehört. Dann gingen 2 Jahre ins Land ohne irgendwelche besonderen Vorkomnisse. Im Februar 2011 ging mein Vater dann aufgrund seines schlimmen Hustens mit Auswurf zum Pneumologen. Seine Lunge war in Ordnung, so berichtete er uns. Von da an wurde es von Jahr zu Jahr schlimmer und schlimmer. Im Jahr 2013 musste meine Mutter in Kur. Während dieser Zeit bekam mein Vater ein schwere Erkältung, so glaubten wir. Er bekam sehr schwer Luft. Für ihn war alles nur noch anstrengend. Aber wir glaubten wirklich an eine schwere Erkältung, wir hatten bis dahin noch immer nichts von COPD gehört. Ins Krankenhaus oder zum Arzt wollte er nicht. Also haben wir es ausgesessen... es wurde auch wieder besser. Aber er war danach nicht mehr so wie vorher. Er war schwächer, nicht mehr ganz so selbständig wie vorher. Wir haben uns Gedanken darüber gemacht. Anscheinend nicht genug. Weitere Monate gingen ins Land.... er konnte keine längeren Strecken mit dem Auto fahren, konnte sich nicht mehr so lange konzentrieren, aber noch immer haben wir nichts von COPD gehört. Im Dezember 2014 bekam er wieder eine schwere Erkältung - so wie schon einmal. Es war so schlimm und heftig. Er hat wirklich kaum noch Luft bekommen, und je mehr er es versuchte umso schlimmer wurde es. Meine Mutter hat meinen Vater gepflegt. Sie arbeitete nicht mehr und übernahm die Pflege. Als Berufstätiger Mensch ist das schlichtweg nicht machbar. Es ist eine 24h Aufgabe. Eine enorme Leistung an der meine Mutter selbst fast kaputt gegangen wäre. Sie kostet nicht nur Kraft und Energie sondern physische sowie psychische Gesundheit. Sie rief den Notarzt, mein Vater war aber sehr Stur, er wollte nicht ins Krankenhaus, selbst auf den Hinweis des Notarztes das er die Nacht nicht überleben könnte, wollte er nicht mit. So behielt sie ihn noch einen weiteren Tag zu Hause und rief am kommenden Tag erneut den Notarzt. Mittlerweile hat mein Vater eingesehen, oder er war zu schwach um sich dagegen zu wehren, mit ins Krankenhaus zu gehen. Im Krankenhaus haben die Ärzte gesagt das er ein paar Minuten später wahrscheinlich Tod gewesen wäre, seine Lippen waren schon blau angelaufen. Ich bin so schnell ich konnte is Krankenhaus gefahren. In diesem Krankenhaus hörten wir das erste mal COPD. Das Internet ist voll von Informationen darüber. Aber nirgends ist zu finden wie schrecklich diese Krankheit für den betroffenen und auch die Angehörigen wirklich sein kann. Nach einigermaßen Besserung wurde er wieder nach Hause entlassen.
Nun begann die schwierigste Zeit für mein Mutter. Die Pfelge wurde instensiver. Sie musste sich um alles kümmern, meine Vater hat nur noch kurze und immer seltenere Phasen gehabt in dem es ihm wirklich einigermaßen gut ging. Er konnte kaum noch normal schalfen. An liegen war selten zu denken.
Die letzten 96h seines Lebens
Ich war bei meinen Eltern zu Besuch. Bin extra über Nacht geblieben. Mein Vater hatte sich sehr darauf gefreut am morgen mit uns frühstücken zu gehen. Aber schon die Nacht zuvor konnte er nicht richtig schlafen. Also haben wir beschlossen nicht frühstücken zu gehen und stattdessen wollten wir grillen. Am Mittag dann habe ich meinen Onkel zu uns geholt und wir wolten dann raus gehen. Mein Vater wollte unbedingt, aber er war leider zu schwach. So ging das auch nicht. Wir haben uns gedacht er hat einen schlechten Tag erwischt und uns nichts weiter dabei gedacht. Als es zum Nachmittag nicht besser wurde haben wir die Ärzte des Paliativteams (dazu komme ich später nochmal) gerufen. Sie haben ihm Morphin gespritzt in der Hoffnung ihm die Atemnot lindern zu können. Es schien auch einigermaßen besser zu werden, da ich am kommenden Tag wieder arbeiten musste bin ich wie es geplant war am Abend wieder nach Hause gefahren. Wie üblich habe ich, als ich zu Hause ankam, meiner Mutter Bescheid gegeben das ich gut angekommen bin. Ich fragte nochmal wie es meinem Vater ginge und sie antwortete das es immer noch nicht besser aussieht und sie erneut das Paliativteam verständigt habe. Nachdem die Ärztin eingetroffen sind hat es noch ein wenig gedauert und dann kam die Nachricht das der Zustand sehr kritisch ist und es meine Entscheidung ist nochmal zurück zu kommen. Ich habe mich sofort wieder auf den Weg zurück gemacht. Als ich eintraf lag mein Vater schlafend auf der Couch. In der Zwischenzeit war wohl schon fast gestorben.. meine Mama hat ihm zu geflüstert er solle noch warten da ich auf dem Weg bin und darauf hin soll er wohl wieder richtig und normal geatmet haben. Wir waren den Rest der Nacht ununterbrochen bei ihm. Er hat bis zum morgen durchgeschlafen, irgendwann ist er langsam aufgewacht. Es hat ein wenig gedauert aber irgendwann war er sogar ansprechbar und noch ein wenig später konnte er sich uns sogar mitteilen. Es kam die Hoffnung auf das er dem Tod vielleicht nochmal entronnen ist. Den ganzen Tag über ging es ihm aber sehr schlecht. Er hat stark geschwitzt (es war zwar relativ warm - aber nicht so extrem). Er war teilweise sehr verwirrt und teilweise ganz klar. Essen konnte er nicht und trinken nur sehr wenig. Auch in meiner Mutter keimte wieder ein wenig Hoffnung, die ich aber fleich gedämpft habe, sie solle erstmal warten was die kommende Nacht bringen würde. Und so kam es dann auch. Gegen Abend wurde es wieder sehr schlimm. Er konnte nicht liegen weil er dann das Gefühl hatte zu ersticken, oder weil er Angst hatte einzuschlafen und zu sterben. So schlief er immer wieder sehr sehr kurz ein. Sein Oberkörper viel nach vorne (er saß ja) und wachte mit einem tiefen Atemzug auf. Dann schlief er wieder sehr sehr kurz ein... und richete sich mit aller Kraft wieder auf. Dabei stöhnte er, manchmal fluchte er dabei, manchmal sagte er dabei das er nicht mehr könne. Es hat uns das Herz gebrochen ihn so leiden zu sehen. Es ging die ganze Nacht so... dadurch das er immer nach vorne gebeugt war, lief im viel Schleim aus dem Mund, den wir immer wieder weg wischten. Er schwitzte stark und wir tupften ihm immer wieder die Stirn ab. Irgendwann wurde er gelblich und begann sich im Gesicht und auf dem Kopf stark zu kratzen - so stark das er sich teilweise die Haut aufgekratzt hatte (wie wir später durch Google rausgefunden habe - kein ärztlicher Befund - begann wohl die Leber zu versagen). Am morgen kam das Paliativteam und erhöhe die Medikamentendosis. Von da an musste er zum Glück nicht mehr leiden, jedenfalls nicht sichtlich. Er schien zu träumen. Wir waren die ganze Zeit bei ihm, haben ihm die Hand gestreichelt oder gehalten. Der Tag ging relativ gut vorüber, die Hoffnung war fast gestorben das er nochmal wird. Ich habe meinem Vater noch zu geflüstert das ich ihn lieb hab und das wir bei ihm bleiben und er so lange bei uns bleibt wie er will. Nicht lange danach hat er ganz leicht die Augen geöffnet, die Zunge fiel nach hinten. Er war gestorben.
Man kann mit Worten nicht ausdrücken wie schlimm dieser eine Tag seines Leidens war. Wenn man diesen Mann, meinen Vater gekannt hat, was er für uns getan hat, wieviel er gegeben hat, kann man sagen das er das nicht verdient hat.
COPD ist wirklich sehr schlimm. Aber man kann das Leiden unterdrücken, bzw. erträglicher machen. Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, in dem ein Mensch austherapiert ist. Man muss dies erkennen und akzeptieren. Wenn man das geschafft hat, kann ich jedem nur empfehlen sich an ein Paliativteam zu wenden. Sie helfen und das Leiden erträglicher zu machen. Sie haben Verständniss und Erfahrung. Ich kann vor meiner Mutter nur den Hut ziehen das sie das so geschafft hat und über Monate 150-200% gegeben hat, ich weiß wie fertig sie manchmal war, ich weiß wie oft sie an sich selbst gezweifelt hat und wie schwer das alles für sie war.
Jetzt da mein Vater gegangen ist, muss ich mich um viel kümmern - Verträge kündigen etc. So kam es auch das mir Unterlagen von 2011 in die Hände fielen. Unterlagen von seinem damaligen Befund des Pneumologen. Nach dessen Besuch mein Vater uns versichert hat das alles mit seiner Lunge in Ordnung sei..... in dem Befund hieß es das er unter einer fortgeschrittenen COPD leidet.

Es gebe noch wesentlich mehr zu schreiben. Aber ich kann nicht alles schreiben, es ist soviel und es war so schwer. Es fällt mir im Moment schwer den Tod meines Vaters zu akzeptieren und realisieren. Er war der beste Vater der Welt, er hat mir so viel geholfen, er hat soviel für mich getan wofür ich ihm so dankbar bin.

Ich möchte jedem den Ratschlag geben, der einen Angehörigen hat der unter COPD leidet - im Endstadium ist nichts mehr aufzuhalten - macht es ihnen so leicht wie möglich, gebt ihnen was sie sich wünschen. Jeder Tag könnte der letzte sein. Wir haben noch zu Beginn seiner Sterbephase nicht im entferntesten daran gedacht das es schon soweit sein könnte. Wir haben bis dahin noch von Monaten geträumt. COPD ist hinterhältig. Es geht immer schneller und schneller.... zum Ende hin in einer rasenden Geschwindigkeit das man nicht genug Zeit hat es zu realisieren. So jedenfalls haben wir es erlebt. Ich bin kein Arzt, ich kann nicht sagen ob das immer so ist.

Zitronenfee
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Re: Vater starb an COPD

Beitrag von Zitronenfee »

Vielen Dank an euch beide für die Schilderung eurer Situation. Ich denke eure Texte können einigen Menschen Kraft geben, die sich in ähnlichen Situationen befinden!

Mein Beileid und beste Wünsche für die Zukunft. Nutzt euer Leben solange ihr könnt. Ich wünsche euch viel Kraft bei der Trauerbewältigung ihr lieben !!!

Zietlove
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Registriert: Mi Feb 26, 2014 11:29 pm

Re: Vater starb an COPD

Beitrag von Zietlove »

Ich fühle mit euch :cry:

Bitte macht euch keine Vorwürfe. Im Nachhinein ändern kann man sowieso nichts und in der heutigen Zeit ist man viel mehr im Stress als früher. Das sehe ich an mir selber, es sind zuviele Dinge die man im Leben zu erledigen hat und für das wesentliche bleibt oft zu wenig Zeit über :(

Ich wünsche euch ebenfalls viel Kraft!

Hannelore47
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Registriert: Mi Dez 05, 2012 4:34 pm

Re: Vater starb an COPD

Beitrag von Hannelore47 »

Wie geht es dir denn mittlerweile Gertrud?

Du hast dich lange nicht mehr im Forum blicken lassen, ich hoffe bei dir ist alles in Ordnung. Lass bitte mal wieder etwas von dir hören damit wir wissen das es dir gut geht.

Auch von Reinhard einen lieben Gruß

Deine Hannelore

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