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Wie ich mir durch die Hirnforschung das Rauchen abgewöhnte

Verfasst: Mo Mai 07, 2018 8:31 am
von COPDheilen
Wieder so eine der zig- Raucherentwöhnungsmethoden, die nicht wirklich etwas bringen?! Wenn Sie das jetzt denken, dann kann ich das gut verstehen. Auch ich habe alles ausprobiert, was der Markt seit der Jahrtausendwende herausgegeben hat. Schlaue Bücher und Vorträge, Akupunktur, von Telepathie bis hin zur Hypnose, alles Geld- und Zeitverschwendung. Bis ich mein Hirn überlistete - intuitiv und unbewußt, nicht wissend, dass dies dem Standard der aktuellen Hirnforschung entspricht. Aber der Reihe nach.

Glimmstengel im Gesamtwert eines Rohbaus begleiteten mich jahrzehntelang

Ob ich jemals freiwillig das Rauchen aufgegeben hätte? Jahrzehntelang waren in Kaffeepausen und während Stressphasen Zigaretten meine täglichen Sucht-Begleiter. Und so wie fast alle Raucher habe auch ich die ersten Warnzeichen und Symptome der beginnenden chronischen Erkrankung COPD ignoriert.

Die schleichende Entwicklung in die ersten Krankheitsstufen der Gold Schweregrade 1 und 2 nach GOLD.

Aus anfänglicher leichter Heiserkeit wurde ein ständiges Krächzen, aus morgendlichem Abhusten des Schleims entwickelten sich heftige und anhaltende Hustenattacken. Sie quälten mich immer öfter auch am Tag. Als ich 45 Jahre alt wurde, kam es nicht selten vor, dass Hustenanfälle mir den Schlaf raubten.
Als Raucherin wusste ich genau, dass meine Lunge schwächelte, und es ihr immer schwerer fiel, die Schadstoffe durch die sich verengenden Bronchien zu transportieren.

„Irgendwann höre ich auf zu rauchen, aber heute noch nicht“.
Das war meine Dauerausrede. Allzu gut schmeckte die Zigarette nach einem oppulenten Frühstück und vortrefflich guten Abendessen. Es blieb nicht nur bei wenigen Stäbchen. Pro Tag konnte es eine Packung sein, in Stresszeiten sogar mehr. Dass ein begleitender Husten sich dazugesellte, war nicht verwunderlich. Auch später, als der Schleim seine Klarheit verlor und sich gelblich färbte, tat ich so, als ob ich die Warnzeichen nicht sehen würde.

Ich ignorierte, dass mein Körper sich quälte und verdrängte, dass es zudem ein kostspieliges Hobby war und Zigaretten mit den Jahren um ein Vielfaches teurer wurden. Ratschläge und Empfehlungen von Freunden und meiner Familie schlug ich- wie fast alle Raucher - in den Wind. Der Weg der Bronchien wurde enger, die Luftnot knapper.

Endstation – Intensivstation der Pneumologie des Klinikums.
In komatösem Zustand und einer sehr schweren Lungenentzündung, die später als Exazerbation diagnostiziert wurde, transportierte mich der Rettungswagen in die Notaufnahme der Universitätsklinik Giessen. Nach einem vierstündigen Untersuchungsmarathon, unter anderen in der Computertomografie, wurde ich in die Intensivstation II der Pneumologie verlegt, eine mir Angst einflößende Abteilung mit hoher Keimbelastung, über die ich gesondert in meinem blog unter dem post "Meine Erfahrungen mit der Lungenfachwelt" geschrieben habe.
Banderolen mit Zutritt verboten zogen sich diagonal über die Türen der Krankenzimmer.
Die Vorgänge von dort werden mich Zeit meines Lebens nicht mehr loslassen. Sie haben sich in mein Hirn eingebrannt.

Als Abschreckung das Horrorszenario immer vor Augen.
Schreckliche Bilder von aschfahlen ausgemergelten Gesichtern von Lungenpatienten vergesse ich nicht.
Vor Augen habe ich den blutverschmierten Mund des Intenvipatienten, der von den Rettungssanitäternie Richtung OP geschoben wird. Ich erinnere die krächzenden und hustenden nach Luft japsenden Intensivpatienten mit Lungenkarzinomen aus gegenüberliegenden Zimmern. Ich habe miterleben müssen, wie ein Notärzteteam um das Leben eines an Lungenkrebs bettlägerigen Zimmernachbarn kämpfte, der ebenfalls ein starker Raucher war. Ihm blieb nur noch wenig Zeit,sein Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium raubte ihm die lebensspendende Luft zum Atmen. Wie sah das bei mir aus? Wie lange hatte ich noch zu leben mit der Diagnose COPD IV mit Emphysem? War dies das Endstadium?


Wenn sich Hilferufe auf höchste Instanzen außerhalb unserer irdischen Ordnung richten.

„Lieber Gott“, betete ich in jenen Tagen, "lass mich nicht hier sterben, nicht auf dieser kalten Intensivstation, wo Tod und Verzweiflung die Atmosphäre bestimmen".
Ich war es leid, nach Luft schnaubende Leidensgenossen um mich zu haben mit blutigem Auswurf in Brechschalen und überforderte Pfleger und Schwester. Es roch nach Elend, Leid und Schmerzpatienten. Es waren diese Tage und Stunden, die mich verändert haben. Ich war Zeitzeugin einer Endstation geworden, in der Familien Abschied nahmen vom Siechtum ihrer Angehörigen, zusammengepfercht auf den Fluren, oder heulend vor den Betten ihrer schwerst- und sterbenskranken Angehörigen, der Tod war so dicht bei mir, dass ich eine Entscheidung traf.

„Meine Sucht wird mich nie mehr kontrollieren, ich werde sie kontrollieren“.

Wie ein Mantra verinnerlichte ich diesen meinen Satz. Ich werde nie mehr süchtig sein. Sollte ich jemals wieder diese Intensivstation verlassen können, dann rühre ich keine Zigarette mehr an, nie mehr...

Es ist mein Satz geworden, er gehört zu mir und steht bis zum heutigen Tage über meinem Leben.
Nach meiner Entlassung zuhause nutzte ich die ersten Wochen um Entzugserscheinungen vorzubeugen. Denn so einfach ist es nicht, auch wenn man eine gehörige Portion Disziplin, Ehrgeiz und den Willen an den Tag legt.


Wie sich das Gehirn austricksen lässt.

Als Hilfestellung baute ich mir eine Brücke zu meinem stationären Kliniksaufenthalt. Und ließ regelmäßig die Bilder, die ich in meinem Hirn abgespeichert hatte, vor meinem geistigen Auge ablaufen. Das waren vorwiegend Horrorbilder der grauenvollen Erlebnisse aus der Klinik. Immer wieder motivierten die mich- so negativ sie auch waren- als Nichtraucherin weiterzuleben. Diese Bilder kann ich bis heute aus meiner Erinnerung abrufen.
Desweiteren machte ich mir die neuesten Erkenntnisse aus der Gehirnforschung zunutze.


Das Gehirn stuft "das Rauchen" als Gewohnheit ein.

Und mit allen Gewohnheiten hat unser Gehirn Probleme. Der renommierte Hirnforscher Dr. Gerhard Roth offenbart: „Für unser Gehirn gibt es kaum etwas Schwierigeres als Gewohnheiten abzulegen“.
Denn das Gehirn speichert nicht nur unsere Gewohnheiten ab, sondern knüpft sie auch an die sie auslösenden Reize. Ich staunte nicht schlecht über diese Erkenntnisse der Hirnforschung. Theorie und Praxis klafften hier mal nicht auseinander. Darin wurde mir ein Aha-Erlebnis offenbart.
Damit konnte ich viel anfangen. Die alte Gewohnheit bei mir war das Rauchen und „auslösende Reize“ bei mir waren beispielsweise Stressituationen. Wann immer meine Nerven angespannt und meine Stimmung aggresiv war in meinem alten Leben, war der Griff zur Zigarette vorprogrammiert. Mein Gehirn wusste, dass Rauchen mir als "Gewohnheit"beim Stressabbau vermeintlich half.

Das Gehirn hat auch die positive Stimulanz der Zigarette abgespeichert.
Immer, wenn ich bei guten Freunden war, in lockerer Stimmung die Atmosphäre genoss und zum Glas Wein griff, durfte auch die Zigarette nicht fehlen. Wenn ich mal keine anstecken konnte, fühlte ich, es fehlt mir etwas, ich sog an der Sucht, meinem Gehirn fehlte die "Gewohnheit".

Ich fing an, mein Gehirn mit neuen Gewohnheiten zu füttern.
Diese "Anpassungen" wollte ich abspeichern. Sie fingen bei mir im Discounter an. So wie früher die Zigaretten im übervollen Einkaufswagen vor der Kasse meinen Einkauf krönten, stapelten sich nun gesunde und pralle Früchte wie Äpfel, Kirschen, Bananen und Kiwi. Ein bunter Reigen aus saisonalen Früchten, an diese neue Gewohnheit mußte sich mein Gehirn ab sofort gewöhnen.

Früchte sind mein neues Rauchen

Stolz verkündete ich meine neue Philosophie meiner Familie, Bekannten und Freunden.
Die Wende zum Positiven begann. Und damit wuchs auch der Umfang meines Körpers Zentimeter um Zentimeter. Denn fast hätte ich vergessen, dass mein Stoffwechsel auf Sparflamme kochte, weil das Nikotin fehlte. Obwohl ich mein Gewicht von Tag zu Tag neu kontrollierte, ging es kategorisch nach oben, trotz Snacks und Süßigkeiten. Dabei hatte ich nicht unbedingt das Gefühl, mehr Appetit als früher zu haben.

Für Forscher immer noch ein Rätsel, warum Raucher 7 bis 10 Kilogramm nach dem Rauchstopp zulegen.

"Hilf Dir selbst, iß`weniger und rationiere, bevor aus dir eine wandelnde Tonne wird", so disziplinierte ich mich, um das Sättigungsgefühl zu provozieren, das ja bekanntlich erst nach 20 Minuten meinem Körper signalisiert, satt zu sein. Ich reduzierte insbesondere meine Zwischenmahlzeiten auf eine Handvoll vieler Kleinstportionen. Jeder meiner Bissen wird gut durchgekaut, bewußt und langsam gegessen, ja fast schon zelebriert. Dabei versuche ich, die 20 minütige Zeitspanne bis zum Sättigungspunkt voll für das Essen und die Mahlzeit zu nutzen.

Ich kann mittlerweile an einer Handvoll Studentenfutter vorm Fernseher wirklich lange genüsslich knabbern und kleine Apfelstückchen im Mund zu Mus kauen. Es hat lange gedauert. Aber es ist geschafft.

Gutes Gelingen!

(Quelle: Ebook "Wie ich meine COPD heilte" )

Re: Wie ich mir durch die Hirnforschung das Rauchen abgewöhn

Verfasst: So Mai 13, 2018 11:42 am
von HeikeGaupp
Ohne Worte.... :shock: